„Es war in einem Provinzstädtchen“, sagte der Mond, „freilich war es im vergangenen Jahre. Das tut nichts zur Sache, ich sah es sehr deutlich, heute Abend las ich in den Zeitungen davon, aber da war es lange nicht so deutlich. In der Gaststube saß der Bärenführer und aß sein Abendbrot, der Bär stand draußen hinter dem Holzstoße angebunden, der armen Petz, der niemand etwas zuleide tat, obwohl er grimmig genug aussah.
Oben in der Dachkammer spielten in meinen Strahlen drei Kinder, das älteste mochte sechs Jahre alt sein, das jüngste nicht mehr als zwei. „Klatsch, klatsch!“ kam es die Treppe hinauf. Wer konnte das wohl sein? Die Tür sprang auf – es war der Petz, der große zottige Bär. Er hatte Langeweile gehabt unten im Hofe und nun den Weg zur Treppe hinauf gefunden, ich habe alles gesehen“, sagte der Mond. „Die Kinder erschraken sehr über das große zottige Tier, jedes kroch in einen Winkel. 
Er entdeckte sie alle drei und beschnüffelte sie, tat ihnen aber nichts zuleide. Das ist gewiss ein großer Hund, dachten die Kinder, und dann streichelten sie ihn; er legte sich auf den Fußboden, der kleinste Junge kletterte auf ihn hinauf und spielte mit seinem goldlockigem Köpfchen Verstecken in dem dichten schwarzen Pelz.

Jetzt nahm der älteste Knabe seine Trommel und schlug darauf, dass es dröhnte. Der Bär erhob sich auf den Hinterfüßen und fing an zu tanzen, es war allerliebst anzusehen. 
Jeder Knabe nahm jetzt sein Gewehr, auch der Bär musste eins haben, und er hielt es recht ordentlich fest. Es war ein prächtiger Kamerad, den sie gefunden hatten, und dann marschierten sie: „Eins, zwei, eins, zwei!“ –
Da griff jemand an die Tür, sie ging auf – es war die Mutter der Kinder. Du hättest sie sehen sollen, ihren lautlosen Schreck, das kreideweiße Gesicht, den halbgeöffneten Mund, die starren Augen.
Aber der kleinste Junge nickte seelenvergnügt und rief ganz laut in seiner Sprache:
„Wir spielen nur Soldaten!“ Und dann kam der Bärenführer!“

Ein Märchen von Hans Christian Andersen