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Das kleine Mädchen und die Henne

Märchen

    

 

 


„Gestern“, so erzählte mir der Mond, „blickte ich in einen engen, von Häusern ringsumschlossenen Hof hinunter. Da lag eine Gluckhenne mit elf Kücklein, ein niedliches kleines Mädchen sprang um sie herum, die Henne gluckte und breitete erschrocken ihre Flügel über die kleinen aus. Da kam der Vater des Mädchens, er schalt, und ich glitt weiter, ohne mehr daran zu denken. 
Heute Abend aber, es ist nur wenige Minuten her, blickte ich wieder in denselben Hof hinunter. Es war alles still, bald aber kam das kleine Mädchen, schlich sich ganz leise bis an das Hühnerhaus, schob den Riegel zurück und schlüpfte zu der Henne und den Kücklein hinein. Die schrieen laut auf und flatterten herum, die Kleine lief hinterher.

Das sah ich deutlich, denn ich blickte durch ein Loch in der Mauer. Ich zürnte dem bösen Kinde und freute mich, als der Vater kam und noch heftiger als gestern schalt und sie am Arme fasste. Sie bog den Kopf zurück, die blauen Augen waren mit großen Tränen gefüllt. „Was machst du hier?“, fragte er. Sie weinte: „Ich wollte die Henne küssen und sie wegen gestern um Verzeihung bitten, aber ich wagte nicht, dir das zu sagen.“


Der Vater küsste die heulende Unschuld auf die Stirn, ich aber küsste ihr die Augen und den Mund. 

 

Ein Märchen von Hans Christian Andersen

 






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